Inakzeptabel!

Wenn ich ans Saastal denke, dann habe ich meist gute Gedanken. Rede und schreibe dann sogar meist von einem Paradies. Ob bei Radiostationen, wo ich tätig bin, in Vorträgen oder Zeitungskolumnen. So habe ich eben für eine Zeitschrift einen umfangreichen Artikel über das Saas abgegeben. Vom fast perfekten Paradies habe ich geschrieben. Überwältigende Viertausender, imposante Gletscher, feinstaubfreie Luft, authentische Bergdörfer, viel Sonne, einzigartige Natur, grossartige Menschen: ein Paradies.

Und dann erreicht mich wieder dieses Wort: „abschiessen“. Nicht beim Fussball. Auch nicht auf den Wolf bezogen, der unzählige Schafe reisst. Nein, führende Männer, Geschäftsleute und Familienväter reden vom Gemeindepräsidenten, dem Direktor der Bergbahnen, dem Kurdirektor. Sie werden alles unternehmen, sie abzuschiessen. Abschiessen. Klar, man kann Vorlagen, Ideen, Vorstösse, Kampagnen etc. bekämpfen, abschiessen. Aber Menschen? Wo sind wir da gelandet? Menschen abschiessen? Absolut inakzeptabel. Es sei nicht wörtlich gemeint. Eine zu billige Ausrede. Wer nicht Sachbezogen argumentiert, sondern Menschen ins Visier nimmt, hat seine Legitimation eigentlich verloren. Solche Menschen dürften in der Öffentlichkeit nichts mehr zu sagen haben. Abschiessen. Was ihre Kinder mit solchen Worten machen, lässt Ungutes erahnen. Abschiessen. Hinter solchen Phrasen verstecken sich für mich Denkfaulheit, Verweigerung sich mit Problemen ernsthaft auseinander zu setzen und Arroganz. Wahrscheinlich auch einfach Bösartigkeit.

Das Wort „abschiessen“ sollten wir nicht benutzen. Auch nicht bei unfähigen Politikern, die nur wegen der Sitzungsgelder in Gremien sitzen. Besser wäre es, wenn wir solche Typen nicht mehr wählen. Aber „abschiessen“ geht nicht. Deshalb gebe ich nun auch nicht die Namen derer frei, die mir das Schreiben schon lange verbieten möchten, mich abschiessen wollen. Abschiessen geht nicht. Ich möchte lernen, mein Gegenüber zu verstehen. Ich will mich bemühen, auch seine Sicht zu begreifen. Ich möchte andere Meinungen prüfen, differenziert denken. Ich möchte Menschen, auch Kinder, fördern, als vernünftige Persönlichkeiten zu handeln und zu denken. Ich möchte meinen Beitrag dazu leisten, dass es in dieser Welt zivilisierter und weniger boshaft zu und her geht. Und das fängt beim Reden an. Vielleicht bin ich ein Träumer. Doch Träume können manchmal in Erfüllung gehen.

„Wenn einer allein träumt, bleibt es ein Traum. Wenn aber alle gemeinsam träumen, wird es Wirklichkeit.“
Hélder Câmara

Christoph Gysel