Der Parkitekt
Die Sprünge der grössten Freestyle-Stars zeichnen jeden Herbst einen flüchtigen Tanz der Freiheit an den Saaser Himmel. Der Gründer von The Stomping Grounds, Charles Beckinsale, erzählt, wie es dazu kam.
Saas-Fee ist ein ruhiger Ort. Gemächlich, idyllisch könnte man sagen. Im Sommer und Frühherbst schlendern hauptsächlich Altersgruppen von 35 Jahren plus, viele Senioren, aber auch Familien durch die Gässchen. Sie wandern durch die umliegenden Wälder, bevölkern Sonnenterrassen, entspannen sich. Dann, Anfang Oktober, beginnt das Dorf plötzlich zu vibrieren. Hunderte junge Skifahrer und Snowboarder kommen an, mit ihnen hippe Klamotten, lebhafte Stimmung und ein ordentlicher Coolness-Faktor. Das gemütliche Bergdörfchen verwandelt sich über Nacht zum Mekka der lässigsten Schneesportler der Welt.
Beckinsales Weg zum Gletschercamp
Der Grund dafür ist ein Australier namens Charles Beckinsale. Der 34-Jährige ist Direktor und Gründer von The Stomping Grounds, einem Hochleistungstrainingslager für Slopestyle, Big Air und Halfpipe für Ski- und Snowboard. Jeden Herbst gastiert es auf dem Feegletscher und bietet Trainingsmöglichkeiten für zehn olympische Diszipline. Im vergangenen Jahr waren 27 von 30 Olympiasiegern der Spiele in Pyeongchang im The Stomping Grounds Park in Saas-Fee im Training.
Beckinsale baut seit fast 20 Jahren Parks auf der ganzen Welt für Spezial-Events und das Training von Nationalmannschaften. Wo er Schneeparks baut, vereint sich die Freestyle-Elite. Zu seinem illustren Portfolio gehören Projekte mit Nike, Red Bull und dem Snowboarder Mag. Beckinsale gehört zu den Besten, wenn es um die Gestaltung von Snowparks geht.
Um die ganze Welt zu reisen für die Vorbereitungen dieser Parks, sei irgendwann ziemlich hektisch geworden, erzählt Charles über einer Tasse Cappuccino. Er begann, sich im Detail anzuschauen, wie teuer es die einzelnen Teams kam, sich von ihm ein eigenes Trainingsgelände aufbauen zu lassen, und fragte sich, ob es nicht sinnvoller wäre, alle zusammen an einen Trainingsort zu bringen. Und − so überlegte er − wenn sie an einen Ort kämen, würde das kumulierte Budget es ermöglichen, etwas wirklich Grossartiges zu bauen, bei gleichzeitig geringeren individuellen Kosten. Nach eingehender Recherche kam er zum Schluss, dass Saas-Fee über die besten Bedingungen verfügt, um einen Event dieser Dimension im Herbst auszurichten. «Ein wichtiger Grund für die Entscheidung war sicherlich die Grösse und Tiefe des Feegletschers plus die dicke Schneedecke, mit der wir dort oben im Sommer und Herbst
arbeiten können», erklärt Charles. «Der zweite Grund war, wie entspannt das Dorf ist», schiebt er nach. «Von einem internationalen Flughafen mit einem Zug und einem Bus zu einem autofreien Dorf zu gelangen, wo alles zu Fuss erreichbar ist, nimmt den Ridern wirklich Stress.» Er hält für einen Moment inne und fügt dann hinzu: «Saas-Fee kann ein herausfordernder Ort sein, wegen der Höhe, des rauen Gletschers, des manchmal unvorhersehbaren Wetters … Man spürt die Macht der Natur dort oben! Aber unsere Rider kommen sehr gerne hierher, und wir können uns keinen besseren Ort für The Stomping Grounds vorstellen.»
«Meine Mission ist, den besten Park und
die beste Pipe der Welt anzubieten.»
Das Team hinter den Kulissen
Charles rief 2016 zusammen mit den Amerikanern Brandon Dodds und Jeremy Carpenter The Stomping Grounds in Saas-Fee ins Leben. Seitdem wächst die Veranstaltung Jahr für Jahr. «Im ersten Jahr hatten wir nur Slopestyle- und Big-Air-Athleten hier, etwa 60 insgesamt über eine Session», berichtet er weiter. «Nach einem erfolgreichen ersten Jahr hatten wir viel mehr Interesse, also expandierten wir in zwei Sessions und bauten eine Halfpipe dazu. Im dritten Jahr haben wir den Airbag eingeführt und jedes Jahr neue Rails hergebracht», fährt Charles fort. «Auch dieses Jahr haben wir mit dem örtlichen Team von Stefan Plattner und Marcel Brünisholz ein spannendes neues Layout für den Sommerpark und unsere Sessions im Herbst erarbeitet. Marcel und Stefan hatten einige grossartige Ideen, darunter eine grosse Änderung im Park-Layout. Zudem werden wir dieses Jahr wieder neue Rails hinzufügen und die Pro-Linie und die Halfpipe komplett umbauen. Viele Rider sind seit unserer ersten Session 2016 dabei. Wir arbeiten hart, damit es für sie nie langweilig wird und eine hervorragende Trainingsplattform bereitsteht», so Charles.
Der beste Park für entspannte Stars
Auf die Frage, was The Stomping Grounds ihm persönlich bedeute, antwortet er: «Meine Mission war immer die gleiche: den bestmöglichen Park und die bestmögliche Pipe der Welt anzubieten. Seit meinem 16. Lebensjahr habe ich das ganze Jahr über für andere gearbeitet, bin zwischen Australien, Kanada und den USA umhergereist. Es bedeutet mir die Welt, dass ich mit meinen Freunden arbeiten kann und die kreative Kontrolle über das Projekt besitze. Ich liebe meine Arbeit und kann meine Familie damit ernähren − ich schätze mich glücklich», strahlt er. Wer wird dieses Jahr an den Sessions teilnehmen? «Viele der gleichen Teams und Athleten der letzten Jahre. Einige der grösseren Namen, die bereits zugesagt haben, sind Anna Gasser, Mark McMorris, Red Gerard, Chloe Kim, Oystein Braaten oder Stale Sandbech. Um nur einige zu nennen», sagt er mit einem Augenzwinkern.
Die erste Session beginnt am 5. Oktober, die zweite am 17. Oktober. Neben den Trainingseinheiten auf dem Gletscher seien Filmabende und ein paar Partys geplant, so Beckinsale. «Aber ehrlich gesagt: Die Stars freuen sich einfach, sich hier zu entspannen und einander zu sehen.» Was gefällt seiner Kundschaft sonst noch am jährlichen Trip hierher ? «Es ist eine Kombination aus dem makellosen Park und der Pipe, die wir zu einer Jahreszeit anbieten, in der weltweit nicht viel anderes offen ist. Zudem ist der Vibe da oben, wenn die Weltbesten zusammenkommen, einfach elektrisch. Das Wetter ist unglaublich, und sie pushen sich gegenseitig zu Bestleistungen. Aber auch die entspannte Freizeit im Dorf trägt ihren Teil bei. Die Athleten geniessen die lokale Gastfreundschaft und die unglaubliche Schönheit der Schweizer Alpen, die das Dorf umgeben», fasst Charles zusammen.
«Die Weltbesten pushen sich hier gegenseitig
zu neuen Bestleistungen.»