Den Stecker ziehen!
Die Freie Ferienrepublik Saas-Fee scheint ein Ort zu sein, wo verletzte Seelen gesunden können. Die grossartige Natur. Die imposante Berg- und Gletscherwelt. Die gesunde Luft. Sonne und Ruhe bieten ein ideales Umfeld gerade auch für Burnoutpatienten.
Ein Pfarrer, den ich letzte Woche hier im Saastal traf, hat es mir erneut bestätigt. Ein längerer Aufenthalt bei uns im Vorjahr, hätte ihm nach einem Burneout sehr gut getan. Deshalb sei er nun ins Saas zurückgekehrt, um den Urlaub hier zu verbringen. Und er ergänzte: „Ein wunderbares Tal, wo verletzte Seelen gesunden können.“
Klar. Es gibt verletzte Seelen. Leider. Menschen, die sich verausgabt haben, die Mobbing zum Opfer fielen oder sonst zu viel Schweres ertragen mussten. Mein Pfarrfreund hatte es auch so erlebt. Als aus seinem engsten Kreis plötzlich der haltlose Vorwurf kam, er unterschlage Geld, hat es ihm den Boden unter den Füssen weggezogen. Er stürzte in ein tiefes Loch. Alles hatte er in seinem Dienst gegeben. Ging in seinem Engagement bis an die Grenzen seiner Kräfte. Und nun das. Er verstand die Welt nicht mehr. War blockiert. Konnte der Arbeit kaum mehr nachgehen. Und da hat er den Stecker gezogen. Der Arzt hat ihn krankgeschrieben. In Erholung geschickt. Die letzten Wochen war er dann eben im Saastal. Und hat sich gut erholt.
Trotz der Tatsache, dass Menschen einander das Leben schwer machen, einander auch tiefe Verletzungen zuführen können, ist ein schöner Gedanke, dass das Saastal ein Ort sei, wo verletzte Seelen gesunden können. Es ist zu hoffen, dass angeschlagene Menschen in diesem paradiesischen Tal nur auf liebenswürdige Menschen treffen, damit die Heilung wirklich einen guten Verlauf nimmt. Allerdings ist es kaum vorstellbar, dass es an so einem herrlichen Ort es überhaupt andere Menschen gibt …?
Oder trifft die Feststellung von Friederich Schiller in seinem „Wilhelm Tell“ allenfalls doch auch auf das paradiesische Saastal zu: „Es kann der Frömmste nicht in Frieden Leben, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt“ ?
Christoph Gysel